Warum Frauen fremdgehen – Was Untreue über unsere unerfüllten Bedürfnisse verrät

Warum Frauen fremdgehen, lässt sich nicht in Schwarz-Weiß erklären. Oft sind es nicht Affären, die Beziehungen zerstören, sondern die Stille davor. Das Gefühl, zu funktionieren, aber nicht mehr wirklich da zu sein.

Viele meiner Klientinnen und Klienten berichten, dass sie in stabilen Beziehungen leben und sich dennoch leer fühlen. Erst wenn jemand zuhört, aufmerksam ist, entsteht Bewegung. Nicht aus Berechnung, sondern aus Bedürftigkeit.

In diesem Artikel erfährst du, warum Frauen fremdgehen, welche emotionalen Dynamiken dahinterstehen und was diese Erkenntnisse für deine eigene Beziehung bedeuten können.

Warum Frauen fremdgehen: Wenn Nähe fehlt, suchen wir sie woanders

Manchmal beginnt ein Seitensprung nicht mit einem Kuss, sondern mit einem Satz. Mit einem „Ich verstehe dich“ zur richtigen Zeit, von der richtigen Person.

Viele meiner Klientinnen erzählen, dass sie gar nicht auf der Suche waren. Dass sie in einer Beziehung lebten, die nach außen stabil wirkte: Haus, Kinder, Alltag – ein scheinbar funktionierendes System.

Aber irgendwo dazwischen war etwas leise verschwunden: die emotionale Resonanz. Sie fühlten sich nicht mehr gesehen, nicht mehr berührt. Der Körper war da, der Partner auch, aber das Herz blieb ungehört.

Wenn dann jemand auftaucht, der zuhört, der wahrnimmt, der ähnliche Werte teilt, dann kann etwas in Bewegung geraten, das lange still stand. Nicht, weil der neue Mensch so außergewöhnlich wäre, sondern weil er etwas wachruft, das längst verloren gegangen war: das Gefühl, wieder zu leben.

Auch das erklärt, warum Frauen fremdgehen: Nicht aus Lust am Abenteuer, sondern aus dem Wunsch nach innerer Lebendigkeit.

Gesellschaftlicher Kontext: Fremdgehen ist kein Randphänomen

Untreue ist kein Ausnahmezustand mehr. Laut aktuellen Studien hat etwa jeder Dritte in Deutschland schon einmal eine Form von Untreue erlebt – emotional, sexuell oder beides.

Frauen holen in den letzten Jahrzehnten deutlich auf. Eine repräsentative Umfrage von YouGov (2023) ergab, dass 36 % der Männer und 28 % der Frauen schon einmal fremdgegangen sind.

Wissenschaftlich betrachtet unterscheiden sich Männer und Frauen zwar in ihren Beweggründen, aber nicht in ihrer Fähigkeit, untreu zu sein. Unterschiedlich sind die Lücken, die sie füllen wollen.

Was die Wissenschaft sagt – und was sie übersieht

Eine Vielzahl von Studien hat versucht zu erklären, warum Frauen fremdgehen.

Dabei lassen sich grob zwei Strömungen erkennen:
die evolutionspsychologische und die bindungspsychologische Perspektive.

Evolutionär betrachtet gehen Männer häufiger fremd, um ihre Gene zu streuen, während Frauen strategischer agieren – sie suchen emotionale oder ressourcenbezogene Sicherheit (Wróblewska-Skrzek, 2021). Doch diese Modelle greifen in modernen Beziehungen zu kurz.

Bindungspsychologisch zeigt sich ein anderes Bild: Untreue entsteht oft dort, wo Bindungsbedürfnisse nicht mehr erfüllt werden – wo Nähe, Sicherheit oder Anerkennung fehlen (Rokach et al., 2023). Genau das ist oft der Kern dessen, warum Frauen fremdgehen.

Neuere Arbeiten (Kato et al., 2023) zeigen: Geschlecht spielt eine geringere Rolle als Bindungsstil und Selbstwert. Mit anderen Worten: Fremdgehen ist kein Geschlechterproblem – es ist ein Beziehungs- und Bewusstseinsproblem.

Die weibliche Perspektive: Wenn Emotionen hungern

Viele Frauen, die fremdgehen, oder sich emotional zu jemandem hingezogen fühlen, beschreiben ein ähnliches Grundmuster:

Sie haben lange versucht, „richtig“ zu lieben. Sie haben sich bemüht, Harmonie zu halten, Konflikte zu entschärfen, für Kinder, Haus und Beziehung zu funktionieren. Doch irgendwann kippt etwas.

Die Energie, die sie in die Beziehung gesteckt haben, fließt nicht mehr zurück. Sie fühlen sich leer, übersehen, ausgetrocknet.

Wenn dann jemand auftaucht, der Resonanz bietet, beginnt ein innerer Prozess. Zuerst ist es Neugier. Dann Balsam. Schließlich eine Sehnsucht, die stärker wird als das Pflichtgefühl.

Neurobiologisch lässt sich so erklären, warum Frauen fremdgehen: Die emotionale Aufmerksamkeit eines neuen Menschen aktiviert das Belohnungssystem (Dopamin, Oxytocin), während in der alten Beziehung längst ein „emotionaler Hungerstoffwechsel“ herrscht. Diese Kombination aus Mangel und Reiz kann mächtiger sein als Vernunft.

Die männliche Perspektive: Wenn Anerkennung fehlt

Bei Männern ist das Muster häufig anders, aber nicht weniger menschlich. Viele Männer gehen fremd, wenn sie sich abgewertet oder unbedeutend fühlen. Nicht selten steckt darunter das Bedürfnis, wieder als „Mann“ wahrgenommen zu werden. Sie suchen nicht primär Nähe, sondern Bestätigung.

Oft sind es Lebensphasen, in denen sie beruflich oder familiär überfordert sind – und in der Affäre finden sie ein Gegenbild: Leichtigkeit, Bewunderung, Sexualität ohne Verantwortung.

Auch hier wirkt Biochemie mit: Dopamin, Testosteron und Noradrenalin erzeugen ein Gefühl von Macht und Vitalität.

Doch diese Euphorie ist flüchtig. Kaum eine Affäre kann dauerhaft kompensieren, was im Kern fehlt: emotionale Tiefe und Selbstwert.

Im Blogbeitrag „Mein Mann ist fremgegangen“ findest du die andere Seite dieser Dynamik – aus der Perspektive derjenigen, die betrogen wurden und sich fragen, ob und wie Vertrauen wieder entstehen kann.

Fallvignette aus der Praxis

Ein junges Paar kam zu mir in die Praxis – zwei kleine Kinder, zwei überforderte Herzen. Schon beim ersten Gespräch war spürbar, dass die Frau nicht hier war, um die Ehe zu retten, sondern um sie langsam zu verabschieden.

Er wirkte gefasst, fast kontrolliert: „Ich will diese Ehe retten, um jeden Preis.“ Sie dagegen weinte still, wie jemand, der den Schmerz schon zu lange getragen hatte.

Zwischen den beiden lag eine unsichtbare Mauer aus alten Verletzungen. In ihrer Erzählung tauchten immer wieder Szenen auf, in denen sie sich alleingelassen fühlte – körperlich, emotional, familiär.

Ein Schlüsselmoment: Weihnachten, direkt nach der Geburt ihrer Tochter. Während sie im Krankenhaus blieb, fuhr er zum Familienessen. Er kam nicht zurück.

Es war nicht dieser eine Moment, der sie innerlich entfernte, sondern das Gefühl, immer zweite Wahl zu sein. Auf einem Fachkongress lernte sie später jemanden kennen, der ihr zuhörte – ein Kollege, der sie verstand. Kein sexueller Kontakt, aber ein emotionales Erdbeben.

„Ich weiß, dass es falsch ist“, sagte sie leise. „Aber bei ihm spüre ich wieder, dass ich existiere.“

Ihr Mann verstand die Situation nicht. Er wollte, dass sie den Kontakt abbricht, aber nicht das, was sie wirklich gebraucht hätte: ehrliche Verbindung.

Und genau das zeigt, warum Frauen fremdgehen: nicht wegen des anderen, sondern wegen sich selbst – aus Sehnsucht nach Lebendigkeit.

Therapeutische Einordnung: Untreue als Kommunikationsversuch

Untreue ist selten Zufall. Sie ist oft ein spätes Kommunikationssignal, ein Versuch, sich aus der inneren Ohnmacht zu befreien.

In der Paartherapie zeigt sich: Es geht selten nur um Sexualität, sondern um Selbstwert, Zugehörigkeit, Identität, Resonanz. Viele Frauen sagen, sie konnten „endlich wieder sie selbst“ sein. Viele Männer hingegen sagen, sie wollten „endlich wieder begehrt“ werden.

Beide kämpfen um dasselbe: gesehen zu werden. Nicht nur als Partner, sondern als Mensch.

Wenn du mehr darüber erfahren möchtest, wieso man sich von seinem Partner entfernt und wie ihr wieder zu mehr Nähe finden könnt, lies gern auch „Vom Partner entfernt – 7 Schritte zu mehr Nähe“.

Warum Verzeihen so schwer ist

Die eigentliche Verletzung durch Untreue liegt nicht im Akt, sondern im Verlust des Vertrauens.
Die Vorstellung, dass der andere mit jemandem etwas teilt, was eigentlich uns gehört, trifft unser Urbedürfnis nach Sicherheit.

Paare, die eine Affäre überstehen, tun das nicht durch Schweigen, sondern durch bewusste Begegnung: ehrliche Gespräche über Bedürfnisse, Schmerz, Verantwortung. Es braucht Zeit – und oft professionelle Begleitung –, um zu verstehen, dass Untreue kein Ende bedeuten muss, sondern ein Weckruf sein kann.

Meine Haltung: Zwischen Mut und Bewusstsein

Ich verurteile Untreue nicht, aber ich nehme sie ernst. Sie ist kein Zufall, sondern ein Symptom dafür, dass etwas Wesentliches in einer Beziehung nicht mehr fließt.

Frauen, die fremdgehen, sind nicht „die Schuldigen“. Männer, die fremdgehen, auch nicht. Beide sind Ausdruck einer Beziehung, die aufgehört hat, ehrlich zu sein.

Der eigentliche Mut besteht darin, nicht erst zu gehen, wenn es zu spät ist – sondern früher zu sprechen:
„Ich fühle mich einsam.“
„Ich brauche dich.“
„Ich weiß nicht mehr, wie ich dich erreichen kann.“

Diese Sätze sind schwerer als ein Seitensprung – aber sie retten Beziehungen.

Impulsfragen für dich

Wenn du diesen Artikel liest, kannst du dich vielleicht in manchen Zeilen wiederfinden – auf der einen oder anderen Seite.

Dann lade ich dich ein, still in dich hineinzuspüren:

  • Wo fühle ich mich in meiner Beziehung gesehen – und wo nicht?
  • Wann habe ich das letzte Mal ehrlich über meine Bedürfnisse gesprochen?
  • Halte ich meine Beziehung noch aus Liebe aufrecht – oder aus Angst?
  • Welche Form der Nähe fehlt mir am meisten?
  • Und könnte ich den Mut aufbringen, darüber zu sprechen, bevor jemand anderes es füllt?

Fazit: Warum Frauen fremdgehen – und was es uns lehrt

Untreue ist kein Zeichen von Verdorbenheit, sondern von Verdrängung. Wir verdrängen, dass Beziehungen lebendig bleiben müssen – dass sie Pflege, Mut und Neugier brauchen.

Wenn diese fehlen, sucht der Mensch Ersatz – nicht um zu zerstören, sondern um zu überleben.

Warum Frauen fremdgehen, zeigt also weniger etwas über Moral, sondern mehr über das, was sie vermissen: Nähe, Lebendigkeit, Resonanz.

Frauen gehen fremd, wenn sie innerlich verhungern. Männer, wenn sie innerlich erfrieren. Beide wünschen sich dasselbe: gesehen, gewollt und gehalten zu werden – als die Person, die sie wirklich sind.

Einladung zur Bewusstwerdung

In meiner Praxis CREAlaVie arbeite ich mit Paaren, die genau an diesem Punkt stehen: zwischen Hoffnung, Schmerz und Neuanfang.

Manche finden zurück. Andere gehen auseinander, aber bewusster, ehrlicher, reifer.

Wenn du spürst, dass du in deiner Beziehung an einem ähnlichen Punkt bist, dann warte nicht, bis jemand Drittes auftaucht. Komm ins Gespräch mit deinem Partner, mit dir selbst, oder mit jemandem, der helfen kann, die Stille zu übersetzen.

Denn Heilung beginnt dort, wo wir aufhören, uns selbst zu belügen.


Wenn du spürst, dass dich das Thema beschäftigt oder du über deine Situation sprechen möchtest,
dann nimm gerne Kontakt zu mir auf.
In einem Gespräch finden wir heraus, was dein nächster Schritt sein kann.

Anja Sobbe Dippold

Quellen & weiterführende Studien:

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