Vor einiger Zeit kam eine Klientin, nennen wir sie Karin, zu mir. Sie rang mit einem Thema, das viele zutiefst erschüttert: Ihr Mann ist fremdgegangen. Nicht plötzlich, nicht zufällig, sondern in einem langsamen Prozess, der vieles in Frage stellte. Ihre Ehe, ihre Sicherheit, ihr Selbstbild.
Anhand ihrer Geschichte erzähle ich in diesem Blogbeitrag, was passiert, wenn ein Mann fremdgeht.
Du erfährst, wie ein Seitensprung erlebt wird, wie Betroffene reagieren und welche Möglichkeiten es gibt, um mit dieser Erfahrung umzugehen.
Und plötzlich ist alles anders – der Moment, in dem das Vertrauen zerbricht
„Ich hätte es nie von ihm gedacht. Nicht nach all den Jahren. Nicht bei uns.“
So beginnt Karin zu erzählen. Sie sitzt mir gegenüber, der Blick leer, die Schultern angespannt, die Stimme schwankt zwischen Wut und Fassungslosigkeit. Es ist, als sei ein Riss durch ihr ganzes Leben gegangen. Ein Riss, der nicht nur die Ehe erschüttert hat, sondern ihr gesamtes Selbstverständnis.
Ihr Mann ist fremdgegangen. Und nichts ist mehr, wie es war.
Warum Fremdgehen oft mehr zerstört als nur die Beziehung
Ein Seitensprung ist mehr als ein sexueller Akt. Er ist ein Bruch im Vertrauen, eine Erschütterung des innersten Sicherheitsgefühls. Wer betrogen wurde, erlebt häufig nicht nur die Beziehung als bedroht, sondern auch das eigene Selbstbild.
Die Frage „Wie konnte er mir das antun?“ wird schnell zur Frage „Wie konnte ich das nicht merken?“ oder „Bin ich nicht genug gewesen?“
In unserer Gesellschaft wird Fremdgehen oft verkämpft, moralisch verurteilt oder bagatellisiert. Selten jedoch wird anerkannt, wie tief die Verletzung reicht. Und wie viel Mut es braucht, sich dieser Verletzung zu stellen, statt sie zu übergehen.
„Ich hätte es nie von ihm gedacht“ – wenn ein Mann nach Jahrzehnten fremdgeht
Karin lebt seit über 30 Jahren mit ihrem Mann zusammen. Sie haben zwei erwachsene Kinder, ein gemeinsames Haus, ein Leben voller geteilter Erinnerungen.
Ihr Mann galt immer als verlässlich, ruhig, treu. Doch über Monate hinweg entwickelte sich eine emotionale Nähe zu einer Kollegin. Aus beruflichen Gesprächen wurden vertraute Nachrichten. Später fuhren die beiden gemeinsam zu einem Wellnesswochenende und buchten ein Doppelzimmer.
Er sagte, es sei nicht geplant gewesen. Es habe sich einfach so ergeben. Mit der Kollegin sei alles leicht gewesen. Unkompliziert. Eine Abwechslung zum Alltag.
Karin hingegen fühlte sich verraten. Nicht nur durch den Körperkontakt, sondern durch das Verstecken, die Uneindeutigkeit, das Gefühl, plötzlich nichts mehr zu wissen über den Menschen, den sie zu kennen glaubte.
Besonders schmerzlich war für sie, dass ihr Mann in dieser Zeit weiterhin körperliche Nähe zu ihr gesucht hatte. Sie erlebte Intimität mit einem Mann, der innerlich bereits woanders war. Sie fühlte sich benutzt. Gedemütigt. Als Mensch zweiter Wahl.
Was hinter dem Fremdgehen steckt und warum Verdrängen alles nur schlimmer macht
In der therapeutischen Arbeit zeigt sich immer wieder: Fremdgehen ist selten ein „Ausrutscher“. Es ist oft Ausdruck einer tiefen inneren Unklarheit.
Viele Männer, die fremdgehen, sagen später Sätze wie „Ich weiß nicht, was mit mir los war“ oder „Es ist einfach passiert“. Diese Aussagen sind keine Ausreden, sondern Ausdruck emotionaler Unreife. Sie zeigen, dass jemand keinen Zugang zu den eigenen Bedürfnissen hat. Dass da eine Leere ist, die nicht benannt wird. Und dass wichtige Gespräche zu lange ausgeblieben sind.
Auch Karins Mann konnte nicht erklären, was ihn bewegt hatte. Er sagte nur: „Ich hab mich irgendwie gut gefühlt mit ihr. Es war leicht. Und dann war’s halt so.“
In der therapeutischen Arbeit geht es dann darum, Klarheit in das zu bringen, was bisher im Unklaren lag: Welche Bedürfnisse wurden übergangen? Welche Konflikte vermieden? Und warum war es so schwer, ehrlich miteinander zu sprechen?
Wenn du mehr darüber erfahren möchtest, wie wir Paare in solchen Prozessen begleiten, findest du hier einen Einblick in unsere therapeutischen Ansätze.
Wenn Männer sich verlieren: emotionale Unreife, Rollenbilder und verdrängte Bedürfnisse
Fremdgehen hat viele Gesichter. Aber besonders bei Männern zeigt sich häufig ein Muster: Die Schwierigkeit, über die eigenen Bedürfnisse, Ängste und Enttäuschungen zu sprechen. Viele haben nie gelernt, emotional präsent zu sein. Stattdessen wird Nähe über Sexualität reguliert oder über Funktionalität kompensiert.
Oft erleben wir in der Paartherapie Konstellationen, in denen die Frau Bindung sucht, der Mann aber ausweicht. Nicht, weil er nicht liebt, sondern weil er keine Sprache für seine Unsicherheit hat. Fremdgehen erscheint dann nicht als bewusste Entscheidung, sondern als passiver Ausweg aus einer inneren Sackgasse.
Bindungstheoretisch könnte man sagen: Hier trifft ein vermeidender Bindungstyp auf eine eher ängstlich-bindende Partnerin. Diese Dynamik verstärkt sich oft gegenseitig – bis irgendwann etwas eskaliert.
Wenn wir das verstehen, müssen wir Untreue nicht entschuldigen. Aber wir können beginnen, sie tiefer zu begreifen.
6 Fragen, die dir helfen, um mit dem Seitensprung umzugehen
Wenn du selbst in einer ähnlichen Situation bist, ob als betrogene oder als untreue Person, nimm dir einen Moment für dich. Vielleicht helfen dir folgende Fragen:
- Was genau hat mich am meisten verletzt?
- Welche Wahrheit traue ich mich bisher nicht auszusprechen, weder mir selbst noch dem anderen?
- Welche Bedürfnisse kamen in meiner Beziehung zu kurz? Habe ich sie überhaupt selbst wahrgenommen?
- Habe ich noch ein inneres Ja zu dieser Beziehung, oder hält mich nur die Angst vor dem Alleinsein?
- Kann ich mir vorstellen, mit diesem Menschen neu anzufangen, nicht so wie früher, sondern auf eine ehrlichere Weise?
- Was brauche ich, um mich selbst wieder klar zu spüren?
Es braucht Mut, diesen Fragen mit radikaler Ehrlichkeit zu begegnen. Doch sie können dir dabei helfen, innere Klarheit zu gewinnen und deinen eigenen Weg wieder deutlicher zu sehen.
Soll ich bleiben oder lieber gehen?
Nicht alle Paare trennen sich nach einem Seitensprung. Manche finden wieder zueinander. Aber nur dann, wenn beide bereit sind, radikal ehrlich zu werden. Wenn nicht beschwichtigt oder verharmlost wird, sondern die ganze Wahrheit auf den Tisch kommt.
Andere Menschen entscheiden sich zu gehen. Nicht aus Hass. Sondern weil sie merken, dass ihre Würde etwas anderes braucht. Dass sie sich selbst nicht weiter verraten wollen, um einen vermeintlichen Frieden zu wahren.
Beides ist möglich. Beides ist mutig. Und beides verdient Respekt. Es geht nicht darum, „richtig“ zu entscheiden. Sondern stimmig. Für dich.
Fremdgehen ist nicht das Ende, sondern der Anfang für eine ehrliche Entscheidung
Wenn du in einer ähnlichen Situation bist, kann es hilfreich sein, mit einer Person zu sprechen, die dich professionell begleitet. Vielleicht willst du zuerst allein für dich sortieren, was du fühlst. Vielleicht wollt ihr als Paar einen Raum finden, in dem beide Seiten gehört werden.
In unserer Praxis begleiten wir Menschen in Beziehungskrisen – mit systemischer Therapie, hypnosystemischen Methoden und einer Haltung, die Klarheit und Mitgefühl miteinander verbindet.
Wir hören zu. Wir stellen die Fragen, die weiterhelfen. Und wir gehen mit dir durch diesen Prozess, in deinem Tempo, mit deinem Ziel.
Vielleicht hat dich dieser Text nachdenklich gemacht, vielleicht hat er etwas in dir berührt.
Wenn du gerade in einer herausfordernden Situation steckst oder dich nach Klarheit und innerer Stärke sehnst: Du musst das nicht alleine schaffen.
Manchmal hilft ein geschützter Raum, in dem du einfach sein darfst – mit allem, was ist. Wenn du dir Begleitung wünschst, melde dich gern bei mir.
Ich bin für dich da und begleite dich mit Herz, Fachwissen und ohne Urteil.
Von Herzen, Deine Anja